Rettungsmittel

Zwar gehört auch der Krankentransportwagen zu den bodengebundenen Rettungsmitteln, beim Transport von Notfallpatienten werden jedoch i.d.R. nur Rettungswagen und Notarztwagen verwendet. Ihre Zahl je 100 000 Einwohner schwankt zwischen den Ländern (siehe Abb. 6.13.2). Notarztwagen bieten gegenüber dem Rettungswagen ein erweitertes Leistungsangebot: Sie sind mit einem Notarzt besetzt und mit zusätzlichen Medikamenten und medizinisch-technischen Geräten ausgestattet. Das gleiche Leistungsangebot ist durch die Kombination eines Rettungswagens mit einem Notarzteinsatzfahrzeug möglich, d.h. einem speziell ausgestatteten Pkw, der den Notarzt unabhängig vom Rettungswagen zum Notfallort bringt (vgl. Koch; Kuschinsky [1991).

 

 

Abb. 6.13.2: Notarzt- und Rettungswagendichte 1994

 

 

 

 

Quelle: BAST, Ausstattungs- und Leistungsdaten des Rettungswesens.

 

 

Als Luftrettungsmittel wird der Rettungshubschrauber eingesetzt. Er stellt die notärztliche Versorgung innerhalb eines Radius von 50-70 km sicher und ergänzt den bodengebundenen Rettungsdienst. Rettungshubschrauber werden in der Notfallrettung eingesetzt, wenn der Einsatzort innerhalb der Hilfsfrist anders nicht zu erreichen oder die notärztliche Versorgung anders nicht sicherzustellen wäre.

Ende 1995 hatten die Länder 50 Luftrettungsstützpunkte aufgebaut, um die Versorgung von Notfallpatienten sowie deren Transport in ein Krankenhaus oder von einem Krankenhaus in eine Spezialeinrichtung zu gewährleisten. Da die Standorte ohne länderübergreifende Koordinierung festgelegt wurden, kommt es vor allem an den Ländergrenzen zu Überschneidungen der Einsatzradien. Dies führt zu doppelter Abdeckung, aber auch zu Lücken in der Versorgung.

 

Einsatzarten und -häufigkeit

In der Notfallrettung unterscheidet man Notfalleinsätze ohne Notarzt von Notarzteinsätzen. Insgesamt machte die Notfallrettung 1994 und 1995 in Deutschland (ohne Niedersachsen) rund 40% der gesamten Einsätze des öffentlichen Rettungsdienstes aus. 1985 hatte dieser Anteil im Westen noch bei 29% gelegen (Schmiedel [1997). Die Veränderung dürfte auf die Einführung der Rettungsdienstgesetze zurückzuführen sein, durch die sich die Zahl der Standorte, der Fahrzeuge und des Personals erhöht hat. Außerdem sind die Krankentransporte rückläufig. 1995 war bei rund 43% aller Notfalleinsätze ein Notarzt beteiligt. Die Einsatzdichte unterscheidet sich erheblich zwischen den Ländern. Den höchsten Wert mit 9 138 Notfalleinsätzen je 100 000 Einwohner hatte Hamburg (siehe Tab. 6.13.1). Der internistische Notfall (z.B. Herzinfarkt, Asthmaanfall) verursacht mit 44,1% das Gros der Einsätze. Verkehrsunfälle haben dagegen mit 11,9% den niedrigsten Wert seit 1985 erreicht (Schmiedel [1997).

Auf die Krankentransporte entfallen die restlichen 60% der Einsätze des öffentlichen Rettungsdienstes (siehe oben). 1995 war die Einsatzdichte in Berlin, Rheinland-Pfalz und Hessen besonders hoch (siehe Tab. 6.13.1).

 

 

Tab. 6.13.1: Einsätze in der Notfallrettung und Krankentransporte 1995

 

 

Land

Notarzteinsätze

Notfalleinsätze

Krankentransporte

 

 

je 100 000 Einwohner

 

 

Deutschland

1 746

2 457

6 256

 

 

Baden-Württemberg

1 225

1 656

6 622

 

 

Bayern

2 148

1 723

7 082

 

 

Berlin

881

5 046

9 075

 

 

Brandenburg

2 551

3 329

3 889

 

 

Bremen

1 724

4 491

3 688

 

 

Hamburg

1 669

9 138

4 889

 

 

Hessen

1 769

2 223

7 370

 

 

Mecklenburg-Vorpommern

3 211

3 566

5 861

 

 

Niedersachsen

1 096

2 500

5 993

 

 

Nordrhein-Westfalen

1 525

1 526

5 693

 

 

Rheinland-Pfalz

1 680

1 596

7 813

 

 

Saarland

1 622

3 195

5 257

 

 

Sachsen

2 834

3 659

6 341

 

 

Sachsen-Anhalt

2 484

4 222

5 410

 

 

Schleswig-Holstein

1 081

1 794

3 689

 

 

Thüringen

2 925

3 529

4 899

 

 

Quelle: Erhebungen von OPR.

 

 

Für die Länderunterschiede bei der Einsatzdichte gibt es verschiedene Gründe: Unterschiedlich häufige Verkehrsunfälle, ein höheres Durchschnittsalter der Bevölkerung oder kürzere Hilfsfristen bzw. besondere Notarztindikationen.

Der nicht-öffentliche Rettungsdienst erweitert das Einsatzvolumen des öffentlichen um rund 5-10%. Die Tätigkeitsfelder sind nahezu identisch, einen rechtlichen Auftrag hat jedoch nur der öffentliche Rettungsdienst.

 


Kosten und Finanzierung

1994 wurden insgesamt 3,2 Mrd. DM für die Einrichtungen des Rettungsdienstes ausgegeben (vgl. Kapitel 8.4 Ausgaben und Kosten nach Sektoren). Bei den Kosten im Rettungsdienst überwiegen eindeutig die fixen Kosten, die durch das Bereithalten der erforderlichen Betriebskapazität verursacht werden. Schätzungen besagen, daß diese Vorhaltekosten bei rund 70-90% der Gesamtkosten des Rettungsdienstes liegen. Die Vorhaltekosten ihrerseits werden von den Personalkosten dominiert, die zu mehr als 65% zu den Gesamtkosten beitragen (vgl. Kühner [1981). Die fixen Kosten des Rettungsdienstes werden beeinflußt von

Zu den variablen Kosten trägt der Materialverbrauch bei Einsätzen bei, wie z.B. die Kosten von Treibstoff, Medikamenten, Verband- und sonstigen Materialien und die Ausgaben für einsatzbedingte Überstunden.

Die Kostenerstattung erfolgt nach dem Selbstkostendeckungsprinzip: Die Gesamtkosten eines Leistungserbringers werden auf die Zahl seiner Einsätze oder seiner gefahrenen Kilometer bezogen und in Kosten-Leistungsnachweisen dokumentiert. Die so erfaßten Kosten und Leistungen des vergangenen Jahres werden auf das laufende Jahr hochgerechnet und für das Folgejahr kalkuliert. Die Einzelfallkosten in Flächenstaaten liegen naturgemäß über denen in Stadtstaaten (siehe Tab. 6.13.2), schon weil dort für die gleiche Hilfsfrist mehr Rettungswachen erforderlich sind.

 

 

Tab. 6.13.2: Entgelte im Rettungsdienst 1992

 

 

Land

Notarztwagen

Rettungswagen

Krankentransportwagen

 

 

je Einsatz in DM

 

 

Deutschland

190

498

657

 

 

Baden-Württemberg

190

350

800

 

 

Bayern

120

520

620

 

 

Berlin

100

155

480

 

 

Brandenburg

220

720

720

 

 

Bremen

240

240

890

 

 

Hamburg

120

390

390

 

 

Hessen

145

400

650

 

 

Mecklenburg-Vorpommern

200

800

900

 

 

Niedersachsen

300

450

920

 

 

Nordrhein-Westfalen

210

640

640

 

 

Rheinland-Pfalz

170

380

590

 

 

Saarland

120

348

528

 

 

Sachsen

220

330

650

 

 

Sachsen-Anhalt

180

590

800

 

 

Schleswig-Holstein

140

700

1 100

 

 

Thüringen

 

 

Quelle: Erhebungen von OPR.

 

 

Der Rettungsdienst finanziert sich extern aus Mitteln der Sozialversicherungsträger, der privaten Krankenversicherung und der privaten Haushalte über die Entgelte für Rettungseinsätze und den Krankentransport (Tariffinanzierung). Gelegentlich übernehmen die Kreise und kreisfreien Städte Investitionskosten oder deren Zwischenfinanzierung; dies ist vor allem bei kommunalen Leistungserbringern wie der Feuerwehr der Fall (vgl. Kühner [1989). Finanzielle Beiträge der Leistungserbringer fallen bei der Zwischenfinanzierung von Budgetdefiziten an. Daneben zählen ehrenamtliche Arbeitsleistungen sowie Eigenleistungen beim Bau von Rettungswachen und bei der Beschaffung von Rettungsmitteln zu dieser internen Finanzierung.

Die Tariffinanzierung ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. Teilweise verhandeln die Leistungserbringer direkt mit den gesetzlichen Krankenkassen, teilweise orientieren sich die Entgelte an den jeweiligen Gesetzen über kommunale Gebühren und Abgaben, die ohne eine Kassenbeteiligung festgelegt werden.

Das SGB V regelt die Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenkassen für "Fahrkosten" von Patienten. Hierzu zählen neben den Leistungen der Rettungsdienste und den durch andere Institutionen durchgeführten Krankentransporten die Flugrettung und Kostenübernahme bei Krankenfahrten mit Taxen und Mietwagen (vgl. Abb. 6.13.4).

 

 

Abb. 6.13.4: Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Fahrkosten 1995

 

 

 

 

Quelle: BMG, KJ 1-Statistik.

Zu den sonstigen Fahrkosten zählen erstattete Aufwendungen für die Nutzung von ÖPNV und Privat-Pkw sowie Ausgaben für die Seenot- und Bergrettung.

 

 

1995 hat die GKV in Deutschland rund 3,8 Mrd. DM für "Fahrkosten" aufgewendet. Dies entspricht etwa 1,7% der gesamten Leistungsausgaben der GKV. 1980 hatte der Anteil im Westen noch bei 1,3% gelegen. Die Transportausgaben aller Kostenträger betrugen 1980 im Westen 1,5 Mrd. DM, 1994 waren es 4,1 Mrd. DM. Dies entspricht einem jährlichen Zuwachs von 7,6%, der deutlich über dem der Gesamtausgaben von 6,0% liegt (vgl. Kapitel 8.2 Ausgaben nach Leistungsarten).

Ob ein Krankentransport mit Krankenwagen oder aber mit Taxi bzw. Mietwagen erfolgt, verordnet der behandelnde Arzt in Abhängigkeit vom Zustand des Patienten. Ein Krankenwagen wird eingesetzt, wenn der Patient eine besondere Einrichtung wie z.B. eine Trage oder einen Tragestuhl benötigt, oder wenn er auf eine fachliche Betreuung durch qualifiziertes Personal angewiesen ist.

Die ärztliche Verordnung eines Transports im Krankenwagen wird inzwischen zurückhaltend gehandhabt, wie die entsprechenden Ausgaben hierfür zeigen. Zu dieser Entwicklung hat sicher auch die Einführung von Liegendtaxen beigetragen, in denen Patienten auf einer eingebauten Trage transportiert werden. Die Anordnung eines qualifizierten Krankentransportes wird für die Mediziner im Hinblick auf das höhere Preisniveau damit noch schwieriger.

 

Ausblick

Seit den neunziger Jahren steht der Rettungsdienst verstärkt im Mittelpunkt der öffentlichen Kritik. Wegen der überproportionalen Ausgabensteigerungen werden den Leistungserbringern und den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten als Aufgabenträger Unwirtschaftlichkeit und mangelnde Wettbewerbsbereitschaft vorgeworfen.

Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat in seinen Gutachten verschiedentlich auf Einsparpotentiale in diesem Sektor aufmerksam gemacht. Auf der Basis eines Gutachtens für den Bundesminister für Gesundheit (Dennerlein; Schneider [1995) sah er 1995 Wirtschaftlichkeitsreserven in Höhe von 0,5 Mrd. DM (vgl. SVRKAiG [1991 und [1995). Die Kosten in den einzelnen Rettungsdienstbereichen lassen sich nur dann anhand aussagefähiger Kennzahlen wie z.B. den Kosten je Vorhaltestunde oder je Einsatz vergleichen, wenn die Ressourcen und Leistungen länderübergreifend einheitlich erhoben werden. Ein bundesweiter Kosten-Leistungsnachweis würde die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit erleichtern.

Wirtschaftliches Handeln ließe sich auch dadurch fördern, daß das Selbstkostendeckungsprinzip z.B. durch eine flexible Budgetierung abgelöst und gleichzeitig ein Qualitätsmanagement eingeführt wird. In einigen Ländern wird ferner seit einiger Zeit verstärkt diskutiert, Notfallrettung und Krankentransport organisatorisch zu trennen, sofern die spezifischen örtlichen Rahmenbedingungen dies als zweckmäßig erscheinen lassen. In Stadtstaaten und großen Städten ist eine solche Trennung überwiegend schon verwirklicht; in eher ländlich strukturierten Regionen kann sich die funktionale Einheit von Notfallrettung und Krankentransport nach ersten Studienergebnissen auch unter ökonomischen Gesichtspunkten weiterhin als sinnvoll erweisen.

Neben den genannten Überlegungen und Tendenzen wird europäisches Recht zunehmend Einfluß auf die rechtliche und organisatorische Gestaltung des Rettungsdienstes in Deutschland nehmen. Die Grundsatzurteile zur Berufs- und Niederlassungsfreiheit sowie zur medizinischen Behandlungsfreiheit innerhalb der EU werden mittelfristig zu weiteren Liberalisierungen des Gesundheitswesens und damit auch von Teilen des Rettungsdienstes führen.

 

 


Kapitel 6.13 Rettungsdienste und Krankentransportwesen (Teil 2) [Gesundheitsbericht für Deutschland 1998